Chance: Schutzschirmverfahren Sanierung unter Insolvenzschutz

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) werden Unternehmen neue Chancen eingeräumt.

Nicht nur die Automobilindustrie und ihre Zulieferer stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Insgesamt verschlechtern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und bedrohen die Existenz von Unternehmen. Die Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung eines Unternehmens wird dabei oftmals als dessen Ende und die drohende Insolvenz als Mittel zur Abwicklung angesehen.

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sind jedoch Unternehmen neue Chancen eingeräumt worden, Krisen dauerhaft zu überwinden. Die Insolvenzordnung wurde weitreichend verändert. Jetzt kann ein insolventes Unternehmen mithilfe erfahrener Insolvenzpraktiker in Abstimmung mit seinen Gläubigern bestimmen, wie unter Insolvenzschutz saniert wird. Ein Schuldner, der sich mit seinen Gläubigern einig ist, kann das Verfahren mit Hilfe eines von ihm bestimmten Sach- oder Insolvenzverwalters rechtssicher gestalten und den Ausgang des Verfahrens bestimmen. Am Ende des Verfahrens ist das Unternehmen operativ saniert, und der Altgesellschafter behält sein Unternehmen.

Bei sanierungsfähigen Unternehmen sind die neuen Verfahren – Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren – einer Regelinsolvenz weit überlegen. Es existiert kein externer Insolvenzverwalter, sondern lediglich ein Sachwalter mit Kontroll-, aber nur geringen Eingriffsfunktionen. Dessen Aufgabe ist im Wesentlichen, die Eigenverwaltung zu überwachen. Damit bleibt der amtierende Geschäftsführer im „Driverseat”.

Trotzdem machen Unternehmen noch zu wenig Gebrauch von den neuen Möglichkeiten und stellen nach wie vor zu spät einen Antrag auf Eigenverwaltung oder Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens. Mit dem neuen Verfahren lässt sich aber, ein tragfähiges Sanierungskonzept vorausgesetzt, das Unternehmen zukunftsfähig aufstellen und dauerhaft die Bilanz sanieren. Verbesserungen der Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent sind so möglich. Die Finanzierung der Kosten des Verfahrens kann durch die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld und die Nichtabführung von Umsatzsteuer in besonderen Verfahrensabläufen sichergestellt werden. Verbunden mit der Entlastung von Altverbindlichkeiten wird hierdurch eine Mittelzuführung von außen überflüssig gemacht.

Zu Beginn des Verfahrens überwiegt meist die Angst des Schuldners, seine Kunden und Lieferanten zu verlieren. Das Gegenteil ist der Fall, denn ein Kunde, der nach dem Abschluss des Verfahrens mit ausreichend Eigenkapital und Liquidität ausgestattet ist, ist dem Lieferanten regelmäßig vertrauenswürdiger als ein Kunde, der stets in Insolvenznähe agiert und seine Rechnungen nicht bezahlen kann. Ebenso braucht der Kunde des insolventen Unternehmens Verlässlichkeit. Er muss wissen, dass sein Lieferant ihn weiterhin dauerhaft beliefern kann. Eine offene und transparente Kommunikation wird das Vertrauen der Kunden eher stärken. Die neuen ESUG-Verfahren sind für Unternehmen aller Größenordnungen geeignet, auch für Selbstständige wie Ärzte oder Apotheker. 

Quelle: Der Mittelstand. (2/2017)