Insolvenz als Chance für den Neuanfang

23.04.2017

Die Veränderungen im Mobilitätsmarkt stellen vor allem den Mittelstand vor Herausforderungen. Insolvenzexperte Volker Reinhardt über den Umgang mit der Krise.

Herr Reinhardt, erste fahrerlose Autos sind bereits auf den Teststrecken unterwegs. Auch Elektroautos und E-Bikes finden zunehmend mehr Absatz. Was wird aus den Herstellern und Zulieferern traditioneller Technologien? Die gesamte Automobilbranche steht vor einem herausfordernden Strukturwandel, der im Grunde schon längst begonnen hat. Diejenigen Unternehmen, die diesen Prozess zu spät angehen, werden von der erwarteten Marktbereinigung betroffen.
Die gesamte Automobilbranche steht vor einem herausfordernden Strukturwandel, der im Grunde schon längst begonnen hat. Diejenigen Unternehmen, die diesen Prozess zu spät angehen, werden von der erwarteten Marktbereinigung betroffen.

Insbesondere Antriebe und Motoren sind heute die Paradedisziplinen der Automobilhersteller. Viele Teile wie Turbolader oder Kolben stammen zwar von Zulieferern, montiert werden die Benziner und Diesel aber im eigenen Werk. Werden künftig Elektromotoren komplett von Zulieferern zugekauft, müssen die OEMs ihre Monteure anders qualifizieren und beschäftigen. Schlimmstenfalls könnte dies sogar Entlassungswellen nach sich ziehen. Insgesamt könnte sich ein Teil der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie von den Herstellern zu den großen Zulieferern verlagern. Dabei werden viele mittelständische Zuliefererbetriebe, die sich eigene Entwicklungsabteilungen nicht leisten können, auf der Strecke bleiben.

Um mit der Entwicklung mitzuhalten, sind enorme Investitionen nötig, was gerade für manche spezialisierte Zulieferer zum Problem werden kann. Was raten Sie Unternehmen, die diese Summen nicht aufbringen können?
Der Zwang zur Kosten- und Investitionsoptimierung und der Aufbau neuer Geschäftsmodelle führen zu neuen Konstellationen und projektbasierten Modellen der Zusammenarbeit zwischen OEMs, Erstausrüstern und branchenfremden Unternehmen. Damit geht aber auch eine weitere Konzentration der Lieferanten durch strategische Übernahmen, Bildung von Allianzen und Joint Ventures einher. Zudem geht die Automobilindustrie vermehrt auf Partnersuche in anderen Industriezweigen, zum Beispiel für die Herstellung von langlebigen Batterien und für die Vernetzung des Autos. Auch in der Logistik wird immer stärker auf digitale Lösungen gesetzt. Darüber hinaus werden mehr Angebote wie die Mitfahrzentrale für Pakete auf den Markt kommen. Insgesamt bedeutet dies, dass Restrukturierungs- und Insolvenzexperten in Zukunft deutlich mehr zu tun bekommen.

Wann ist Ihrer Erfahrung nach der beste Moment, um auf eine drohende wirtschaftliche Krise zu reagieren?
Zeit ist ein wesentlicher Faktor bei der Restrukturierung in der Krise. Deshalb kann allen Unternehmern nur angeraten werden, bereits bei den ersten Anzeichen zu reagieren und mit professioneller Hilfe alternative Konzepte zu entwickeln. Leider verhindern hierzulande die Scheu vor dem Gang zum Insolvenzgericht und die Unkenntnis der in der Insolvenzordnung enthaltenen Sanierungsmöglichkeiten oftmals ein rechtzeitiges Reagieren. Aber richtig angepackt kann eine Sanierung unter Insolvenzschutz als strategische Option für eine Neuausrichtung angesehen werden.

Im Grußwort zu dieser Ausgabe schreibt Verkehrsminister Dobrindt über das Autofahren der Zukunft: „Die Verantwortung im automatisierten Modus liegt beim Hersteller“. Kommen damit nicht enorme Haftungsrisiken auf die Automobilbranche zu, die schlimmstenfalls ins wirtschaftliche Aus führen könnten?
Nein, das ist nicht zu erwarten. Denn auch bei den jetzt sukzessive eingeführten gesetzlichen Änderungen zum autonomen Fahren haftet der Hersteller nur, wenn es keinerlei Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Fahrers gibt – zum Beispiel bei einem Auffahrunfall, weil die Sensoren nicht erkennen, dass das vorausfahrende Auto plötzlich bremst.

Quelle: inpactmedia.com